In meiner täglichen Praxis und bei der Prüfung von Nachträgen stolpere ich oft darüber, dass zwar eine Urkalkulation vereinbart, aber nicht hinterlegt ist, überhaupt keine Urkalkulation, oder nur ein Preisblatt mit Referenz- oder Teilpauschalen vorliegt. Reine Einkäufer betrachten die Urkalkulation oft als lästiges Anhängsel, vor allem, wenn die Nachtragsbearbeitung nicht beim Einkauf, sondern im Claimmanagement liegt. Dabei ist sie ein zentrales Dokument für faire und transparente Vertragsverhandlungen. In diesem Artikel beleuchte ich die Wichtigkeit der Hinterlegung der Urkalkulation und die Konsequenzen, wenn dies unterlassen wird.
Was ist die Urkalkulation?
Die Urkalkulation ist die detaillierte Aufschlüsselung der Kosten, die ein Auftragnehmer für die Erbringung einer Leistung veranschlagt. Sie dient als Grundlage für die Preisbildung im Angebot und sollte alle relevanten Kostenfaktoren transparent darstellen. Dazu gehören unter anderem:
Einzelkosten der Teilleistungen (EKT): Lohnkosten, Materialkosten, Gerätekosten, Hilfsmittelkosten und Kosten für Nachunternehmerleistungen.
Gemeinkosten: Baustellengemeinkosten (BGK) und Allgemeine Geschäftskosten (AGK).
Wagnis und Gewinn (W&G): Berücksichtigung von Gewinn sowie betriebs- und leistungsbezogenem Wagnis.
Warum ist die Hinterlegung der Urkalkulation so wichtig?
Die Hinterlegung der Urkalkulation bietet sowohl für Auftraggeber als auch für Auftragnehmer entscheidende Vorteile:
Transparenz und Nachvollziehbarkeit: Sie ermöglicht dem Auftraggeber, die Preisbildung des Angebots nachzuvollziehen und die Angemessenheit des Preises zu beurteilen.
Grundlage für Nachtragsprüfungen: Im Falle von Nachträgen dient die Urkalkulation als Basis für die Bewertung der zusätzlichen Kosten.
Vermeidung von Streitigkeiten: Eine transparente Kostenaufstellung kann Meinungsverschiedenheiten über die Preisgestaltung im Vorfeld vermeiden.
Fairness im Vergabeverfahren: Sie trägt zu einem fairen Wettbewerb bei, da unzulässige Mischkalkulationen aufgedeckt werden können.
Absicherung für den Auftragnehmer: Im Streitfall kann die hinterlegte Urkalkulation als Beweismittel dienen und die Kalkulationsgrundlagen des Auftragnehmers belegen.
Was passiert, wenn die Urkalkulation nicht hinterlegt wird?
Das Fehlen einer Urkalkulation kann schwerwiegende Konsequenzen haben:
Ausschluss vom Vergabeverfahren: In einigen Fällen kann das Fehlen der Urkalkulation zum Ausschluss des Angebots vom Vergabeverfahren führen, da eine adäquate Angebotsprüfung nicht möglich ist.
Erschwerte Nachtragsverhandlungen: Ohne eine detaillierte Kostenaufstellung sind Nachtragsverhandlungen deutlich schwieriger und können zu langwierigen Streitigkeiten führen.
Misstrauen und Konflikte: Das Fehlen von Transparenz kann Misstrauen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer schüren und die Zusammenarbeit belasten.
Schwierigkeiten bei der Beweisführung: Im Streitfall kann der Auftragnehmer seine Kalkulationsgrundlagen schwerer beweisen, wenn keine Urkalkulation vorliegt.
Empfehlungen für die Praxis
Klare Vereinbarungen: Im Vertrag sollten die Hinterlegung der Urkalkulation und die Bedingungen für deren Einsichtnahme klar geregelt werden.
Detaillierte Aufstellung: Die Urkalkulation sollte detailliert und nachvollziehbar sein und alle relevanten Kostenfaktoren enthalten.
Vertraulichkeit wahren: Es sollten Vorkehrungen getroffen werden, um die Vertraulichkeit der Urkalkulation zu wahren.
Offene Kommunikation: Eine offene Kommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer über die Kalkulationsgrundlagen kann Missverständnisse vermeiden.
Fazit
Die Hinterlegung der Urkalkulation ist ein wesentlicher Bestandteil professioneller Vertragsverhandlungen im Anlagenbau. Sie schafft Transparenz, Fairness und Sicherheit für beide Vertragsparteien. Durch klare Vereinbarungen und eine detaillierte Aufstellung können potenzielle Konflikte vermieden und eine erfolgreiche Zusammenarbeit gefördert werden. Daher rate ich allen Beteiligten dringend, der Hinterlegung der Urkalkulation die notwendige Bedeutung beizumessen.
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