Als Claimmanager im Bauwesen musste ich bei vielen Projekten immer wieder feststellen, dass der kritische Pfad in Bauzeitenplänen eine unglückliche Rolle spielt. Er wird oft vernachlässigt, ist gar nicht vorhanden, findet keinen Einzug in Managementberichte oder basiert auf fehlerhaften Pufferzeiten, da oftmals kein regelmäßiger Austausch mit dem Einkauf stattfindet. Dieser Zustand führt zu unnötigen Verzögerungen, Kostensteigerungen, Pönalen und im schlimmsten Fall zu Schadenersatzforderungen und dem Scheitern von Bauprojekten. Dieser Artikel beleuchtet die Problematik und zeigt Lösungsansätze auf.
Was ist der kritische Pfad überhaupt?
Der kritische Pfad (auch Critical Path Method, CPM) ist die längste Abfolge von Aktivitäten in einem Bauprojekt, die bestimmt, wie lange das Projekt mindestens dauern wird. Jede Verzögerung einer Aktivität auf dem kritischen Pfad führt zu einer direkten Verzögerung des gesamten Projekts. Aktivitäten außerhalb des kritischen Pfads verfügen über Pufferzeiten, die eine gewisse Flexibilität ermöglichen. Die Identifizierung und Überwachung des kritischen Pfads ist daher essenziell für ein erfolgreiches Projektmanagement.
Die Realität sieht oft anders aus:
Fehlende oder unzureichende Definition: In vielen Bauzeitenplänen fehlt eine klare Definition des kritischen Pfads. Oftmals werden lediglich Balkendiagramme (Gantt-Charts) ohne logische Verknüpfungen der Aktivitäten verwendet. Dadurch ist es unmöglich, den kritischen Pfad zu identifizieren und dessen Auswirkungen auf den Projektfortschritt zu beurteilen.
Keine Integration in Managementberichte: Der kritische Pfad findet selten Einzug in regelmäßige Managementberichte. Stattdessen werden Fortschrittsberichte oft auf Basis von Meilensteinen oder prozentualen Fertigstellungsgraden erstellt, die wenig Aussagekraft über den tatsächlichen Projektstatus haben.
Fehlerhafte Pufferzeiten: Pufferzeiten werden oft willkürlich festgelegt oder basieren auf unrealistischen Annahmen. Eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Pufferzeiten, insbesondere in Abhängigkeit von Lieferzeiten, Genehmigungsverfahren oder der Verfügbarkeit von Ressourcen, findet oft nicht statt.
Mangelnde Kommunikation mit dem Einkauf: Der Einkauf spielt eine entscheidende Rolle bei der Einhaltung von Lieferterminen. Eine mangelnde Kommunikation und Abstimmung zwischen Projektleitung und Einkauf führt zu unrealistischen Annahmen über Lieferzeiten und damit zu fehlerhaften Pufferzeiten und einer falschen Darstellung des kritischen Pfads.
Keine Berücksichtigung von Risiken: Der kritische Pfad sollte auch potenzielle Risiken berücksichtigen, wie z.B. schlechtes Wetter, unerwartete Bodenverhältnisse oder Ausfälle von Subunternehmern. Diese Risiken können zu Verzögerungen auf dem kritischen Pfad führen und müssen daher in der Planung berücksichtigt werden.
Die Folgen:
Die genannten Mängel führen zu einer Reihe von negativen Konsequenzen:
Verzögerungen im Bauablauf: Nicht erkannte Verzögerungen auf dem kritischen Pfad führen zu einer Verschiebung des Fertigstellungstermins.
Kostensteigerungen: Verzögerungen verursachen zusätzliche Kosten, z.B. durch Vertragsstrafen, Schadenersatz, zusätzliche Arbeitsstunden oder verlängerte Baustelleneinrichtung.
Streitigkeiten mit Auftraggebern und Subunternehmern: Unklare Verantwortlichkeiten und fehlende Transparenz über den Projektfortschritt führen zu Konflikten und Rechtsstreitigkeiten.
Reputationsschäden: Verzögerte Projekte schaden dem Ruf.
Lösungsansätze:
Einsatz von Netzplantechnik: Die Verwendung von Netzplantechnik (z.B. Critical Path Method, CPM) ist unerlässlich, um den kritischen Pfad zu identifizieren und zu überwachen.
Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung: Der Bauzeitenplan und der kritische Pfad müssen regelmäßig überprüft und an den tatsächlichen Projektfortschritt angepasst werden.
Einbindung des Einkaufs: Der Einkauf muss frühzeitig in die Planung einbezogen werden, um realistische Lieferzeiten zu ermitteln und die Pufferzeiten entsprechend anzupassen.
Risikomanagement: Eine systematische Risikoanalyse und die Berücksichtigung von Risiken im Bauzeitenplan sind entscheidend.
Transparente Kommunikation: Eine offene und transparente Kommunikation zwischen allen Projektbeteiligten ist unerlässlich.
Schulungen und Weiterbildungen: Die Projektbeteiligten müssen im Umgang mit Netzplantechnik und dem Management des kritischen Pfads geschult werden.
Fazit:
Der kritische Pfad ist ein zentrales Instrument für ein erfolgreiches Bauprojektmanagement, und ich berücksichtige dieses Thema stets in meinen Reportings. Eine Vernachlässigung dieses Instruments führt zu unnötigen Risiken und negativen Konsequenzen. Durch den Einsatz geeigneter Methoden, eine transparente Kommunikation und die Einbindung aller Projektbeteiligten kann der kritische Pfad jedoch effektiv genutzt werden, um Bauprojekte erfolgreich und termingerecht abzuschließen. Die Investition in eine professionelle Bauzeitenplanung und das Management des kritischen Pfads zahlt sich am Ende durch weitgehende Einhaltung der Budgetkosten, weniger Konflikte und eine höhere Kundenzufriedenheit aus.
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