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Compliance im Bauwesen: Die Grenzen der Vertragsdurchsetzung und unzulässige Einflussnahme auf Subunternehmer

Autorenbild: Rainer ProkschRainer Proksch

Einleitung

Compliance spielt in der heutigen Geschäftswelt eine immer größere Rolle. Insbesondere große Unternehmen und Konzerne haben umfangreiche Compliance-Richtlinien etabliert, um rechtliche und ethische Standards einzuhalten. Doch was passiert, wenn ein Unternehmen zwar auf dem Papier höchste Compliance-Standards anlegt, in der Praxis jedoch unfaire Praktiken anwendet?

Im Bauwesen sind Auftragnehmer oft gezwungen, sich strikten Vertragsklauseln zu unterwerfen, die wirtschaftlich nachteilig für sie sein können. Doch wenn ein Auftraggeber aktiv auf Subunternehmer Einfluss nimmt, um Preise zu drücken und damit indirekt den eigenen Hauptauftragnehmer wirtschaftlich schädigt, könnte dies nicht nur als unethische Geschäftspraxis, sondern auch als potenziell rechtswidrig betrachtet werden. Dieser Artikel beleuchtet, inwiefern solche Praktiken compliance-relevant sind und welche Möglichkeiten Unternehmen haben, sich dagegen zu wehren.


Grundlagen der Compliance und ihre Relevanz im Bauwesen


Was ist Compliance?

Compliance bezeichnet die Einhaltung von gesetzlichen, regulatorischen und unternehmensinternen Vorschriften. Insbesondere große Unternehmen implementieren umfassende Compliance-Programme, um Risiken wie Korruption, unlauteren Wettbewerb oder Verstöße gegen arbeitsrechtliche und vergaberechtliche Bestimmungen zu vermeiden.

Wichtige Compliance-Bereiche im Bauwesen umfassen:

  • Kartellrecht: Vermeidung wettbewerbswidriger Absprachen.

  • Antikorruption: Schutz vor Bestechung und unlauteren Vergabeverfahren.

  • Vertrags- und Vergaberecht: Einhaltung vertraglicher Pflichten und fairer Vergabeverfahren.

  • Arbeitsrechtliche Vorschriften: Schutz von Arbeitnehmerrechten, insbesondere in Bezug auf Subunternehmer.

In der Praxis geht es also nicht nur um die bloße Einhaltung gesetzlicher Normen, sondern auch um ethisches und faires Verhalten gegenüber Vertragspartnern.


Der konkrete Fall: Unzulässige Einflussnahme auf Subunternehmer


Sachverhalt

Ein Auftragnehmer hat mit einem großen Energiekonzern einen Bauvertrag abgeschlossen, der Nachtragsleistungen vorsieht. Diese Nachträge sollen über eine fest vereinbarte Handlingsfee abgewickelt werden. Aufgrund wirtschaftlicher Entwicklungen erweist sich diese Handlingsfee als zu niedrig, sodass der Auftragnehmer die Nachtragsleistungen nur mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen ausführen kann.

Nachdem eine Anfrage auf Anpassung der Handlingsfee durch den Auftraggeber mit Verweis auf den Vertrag abgelehnt wurde, wurde bekannt, dass der Auftraggeber direkten Kontakt mit dem Subunternehmer des Auftragnehmers aufgenommen hat. Dieser wurde unter Druck gesetzt, sein Angebot zu verringern, wodurch sich indirekt auch die wirtschaftliche Grundlage für den Auftragnehmer verschlechtert.


Compliance-rechtliche Bewertung

1. Unzulässige Einflussnahme als Compliance-Verstoß

Ein zentraler Aspekt von Compliance ist die Einhaltung fairer Marktbedingungen. Die direkte Einflussnahme des Auftraggebers auf den Subunternehmer des Auftragnehmers stellt eine potenziell wettbewerbswidrige und unethische Geschäftspraxis dar.

Folgende Compliance-Verstöße könnten hier vorliegen:

  • Verstoß gegen kartellrechtliche Grundsätze: Der Versuch, Preise durch direkte Einflussnahme zu manipulieren, kann als wettbewerbswidrig eingestuft werden.

  • Eingriff in bestehende Vertragsverhältnisse: Der Auftragnehmer hat einen eigenen Vertrag mit seinem Subunternehmer. Ein Dritter (hier der Auftraggeber) sollte sich nicht in diese Vertragsbeziehung einmischen.

  • Missbrauch einer wirtschaftlichen Übermacht: Wenn der Auftraggeber durch seine marktbeherrschende Stellung Druck auf Subunternehmer ausübt, kann dies einen Verstoß gegen das Gebot fairen Wettbewerbs darstellen.

2. Vertragsrechtliche Aspekte

Grundsätzlich ist der Auftragnehmer vertraglich verpflichtet, die Nachtragsleistungen zu erbringen. Allerdings könnte die unzulässige Einflussnahme des Auftraggebers eine Grundlage dafür bieten, eine Anpassung der vertraglichen Regelungen zu fordern. Denkbare Argumentationslinien:

  • Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB): Wenn sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen gravierend ändern, könnte dies als Störung der Geschäftsgrundlage geltend gemacht werden.

  • Unzumutbarkeit der Leistungserbringung: Falls die wirtschaftlichen Bedingungen durch die Einflussnahme des Auftraggebers so verändert wurden, dass die Erfüllung für den Auftragnehmer unzumutbar wird, könnte dies ein Ansatzpunkt sein.

3. Potenzielle Eskalationsmöglichkeiten über Compliance-Kanäle

Da es sich bei dem Auftraggeber um einen großen Energiekonzern handelt, gibt es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine interne Compliance-Abteilung, die sich mit ethischen und rechtlichen Verstößen befasst. Eine Meldung über diesen Kanal könnte die Eskalation bewirken, um den Auftraggeber zur Nachverhandlung zu bewegen.

Empfohlene Schritte:

  1. Interne Dokumentation aller relevanten Vorgänge (E-Mails, Gespräche, Aussagen des Subunternehmers).

  2. Meldung an die Compliance-Abteilung des Auftraggebers mit einer detaillierten Schilderung des Sachverhalts.

  3. Falls keine Reaktion erfolgt: Eskalation über externe Stellen, wie die Wettbewerbsbehörde oder kartellrechtliche Stellen.


Fazit: Compliance als Hebel für faire Vertragsverhältnisse

Obwohl der Auftragnehmer vertraglich zur Ausführung der Nachträge verpflichtet ist, könnte die unzulässige Einflussnahme des Auftraggebers ein Compliance-Verstoß sein. Eine strategische Nutzung dieses Themas – insbesondere durch eine formelle Beschwerde bei der Compliance-Abteilung des Konzerns – kann den Auftraggeber möglicherweise an den Verhandlungstisch bringen.

Wichtige Argumentationslinien:

  • Die Einflussnahme auf den Subunternehmer verletzt faire Marktgrundsätze.

  • Die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen machen eine Anpassung der Handlingsfee erforderlich.

  • Die Compliance-Richtlinien des Konzerns fordern faire und ethische Geschäftsbeziehungen.

Durch eine gezielte und gut dokumentierte Beschwerde könnte der Auftragnehmer eine bessere Verhandlungsposition erlangen und eine faire Anpassung der Handlingsfee erreichen.

 
 
 

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